[Ein Kommentar von Tobias Eichner, tobias@14all-magazin.com]
Mein folgender Beitrag zum Thema „Kunst und KI“ wirft vermutlich weit mehr Fragen auf, als er beantwortet. Ich möchte an dieser Stelle einfach einige grundlegende Gedanken ansprechen. Viel Spaß beim Lesen…
Künstliche Intelligenzen produzieren Werke, die qualitativ den geistigen Schöpfungen von Menschen in nichts nachstehen. Und sie sogar manchmal an Kreativität übertreffen.
Höchste Zeit, sich die Frage zu stellen, wie wir zukünftig damit vor allem im Sinn des Urheberrechts umgehen sollen. Insbesondere, da Urheberschutz auch immer finanziell motiviert ist:
Künstler sind auf eine Vergütung ihrer geistigen Leistungen angewiesen. Aber wer bekommt das Geld, wenn neben menschlicher Schaffenskraft zusätzlich künstliche Intelligenz im Spiel ist?
KI und Urheberschaft – die IST-Situation
§ 2 Abs. 2 UrhG formuliert die derzeitige Rechtslage ziemlich eindeutig:
Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.
Auf den Punkt gebracht: Nur Menschen („Persönlichkeiten“) erschaffen urheberrechtlich relevante Werke. Punkt. Eigentlich könnte dieser Beitrag hiermit enden. Doch so einfach ist es nicht.
Und zwar nicht nur aus einer futuristisch-philosophischen Sicht. Beispielsweise drücken sich Wissenschaftler wie Ethiker bislang erfolgreich um eine Antwort auf die Frage, wie mit künstlichen Intelligenzen umzugehen ist, die sich (plötzlich) ihrer Selbst bewusst werden.
Verstärkte Nutzung der KI
In der Zukunft beeinflussen künstliche Intelligenzen verschiedenster Ausprägungen unser Leben – sowohl in beruflicher, privater als auch kreativer Perspektive.
Meiner Ansicht nach werden früher oder später die meisten Künstler (z.B. Maler, Schriftsteller, Musiker) bis zu einem gewissen Grad KI-basierende Systeme für die Erschaffung ihrer Werke nutzen.
Insbesondere im graphischen Bereich ist der Computer bereits heute nicht mehr wegzudenken:
Auf digitale Kunst spezialisierte Grafiker arbeiten wie selbstverständlich mit digitalen Werkzeugen, um beispielsweise Aquarelle oder realistisch anmutende Bleistiftskizzen am PC anzufertigen.
Und Fotografen nutzen seit jeher die Möglichkeiten der modernen Bildbearbeitung für ihre Fotos: Von der Anpassung der Schärfentiefe, über die Korrektur von Farbfehlern, bis hin zur Optimierung menschlicher Anatomie bei Portraits.
Die KI übernimmt…
Aber was geschieht, wenn anstelle eines „dummen“ mathematischen Algorithmus die Faltenglättung von einem KI-basierenden Makeup-Artist übernommen wird oder eine KI den Farbverlauf in einem digitalen Ölgemälde nach eigenem Gusto pinselt?
Bis zu welchem Grad kann ein solches Werk noch seinem menschlichen Erschaffer zugeordnet werden? Diese Fragen müssen wir im Rahmen der Geltendmachung einer Urheberschaft beantworten.
Dabei geht es nicht nur um Ruhm, sondern auch um (ein kleines Stück) Reichtum, Stichwort Nutzungsrechte: Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk erschafft, darf es kommerziell ausbeuten. Für viele Kreative ist das essentiell, um überhaupt künstlerisch tätig sein zu können.
Was ist Kunst wert?
Ist es nicht unfair, einem Möchtegern-Künstler die Urheberschaft an einem KI-generierten Werk zuzusprechen? Noch dazu, wenn dessen einzige Leistung darin bestand, einen Textprompt wie „Erzeuge einen grauen Wolf, der auf einer Waldlichtung den Vollmond anheult“ zu schreiben?
Oder hängt die Antwort darauf am Ende nur von der Definition von Kunst ab?
Viele Künstler verkaufen sich gerne als hart arbeitende Genies, die während ihrer kreativen Schaffensphasen bis an den Rand des Erträglichen barfuß steinige Leidenswege entlang kriechen und von Selbstzweifeln geplagt furchtbare Torturen erleiden, bis die Muse endlich erlösend knutscht.
Aber es gibt auch diejenigen unter den Kreativen, die nahezu im Akkord Bücher nach dem immer gleichen Muster schreiben, Gemälde mit flinker Hand wie am Fließband produzieren oder aus drei Akkorden ständig neue Hits komponieren. Wessen Werke sind jetzt mehr wert?
Muss man als Künstler gelitten haben, um teuer verkaufen zu können oder entscheidet nicht vielmehr die Frage des Geschmacks der Käufer über den Preis?
Oder anders gefragt: Muss ein Künstler jeden Schritt seines Schaffens manuell durchführen oder darf er sich moderner Technik bedienen? Falls ja, bis zu welchem Grad schließt das künstliche Intelligenz mit ein und wer zieht wo objektive Grenzen?
Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Ganz gleich ob Text, Foto oder Video – bereits jetzt existieren vermutlich tausende Werke, die es nur aufgrund künstlicher Intelligenz gibt.
Frei nach dem Motto „Jeder ist ein Künstler!“ wird es in Zukunft kaum noch möglich sein, zwischen echter Begabung und echter Täuschung zu unterscheiden.
Wem stehen die Rechte an KI-erzeugten Werken zu?
§ 2 Abs. 2 UrhG gibt ja vor, dass nur „persönliche geistige Schöpfungen“ Urheberrschtsschutz genießen. Und laut § 2 Abs. 1 UrhG zählt dazu auch Software, konkret:
Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme […]
Ignorieren wir erneut die Problematik einer digitalen Persönlichkeit mit ihren ethischen und philosophischen Herausforderungen und dem Wunsch, den Rechtsstatus einer Person einzunehmen.
Eine künstliche Intelligenz wird, wie andere Software auch, von Menschen entwickelt. Doch dann geschieht das „Geheimnisvolle“:
Die KI lernt aus Millionen und Milliarden von Datensätzen, zerlegt diese in brauchbare Informationseinheiten und setzt selbige nach bestimmten Vorgaben eigenständig in mehrdimensionalen Systemen in Relation zueinander. Ist das nicht bereits eine kreative Leistung?
Da künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren mehr und mehr zum Einsatz kommt, stellt sich für mich gar nicht die Frage, ob man KI im Urheberrecht berücksichtigen sollte oder nicht – sondern wie man es tut.
Bis jetzt haben die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft noch keine gemeinsame Position gefunden. Auch für viele Künstler und Kreative ist KI immer noch eine Mischung aus Magie und Gefahr.
Es bleibt spannend!
Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: März 2024
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