Informationsarmut – Herausforderung in der Bildungs- und Entwicklungspolitik

Von Digitalisierung und Ungleichheit...

Werbung
So wie man früher einfach ans Buchregal ging, geht die Informationsbeschaffung heute über den Computer und das weltweite Internet. Wenn man nicht arm ist...
So wie man früher einfach ans Buchregal ging, geht die Informationsbeschaffung heute über den Computer und das weltweite Internet. Wenn man nicht arm ist...

Wenn heute in den Medien der Begriff „Armut“ verwendet wird, denken viele von uns immer noch an hungernde Menschen, unzureichende medizinische Versorgung oder einen Mangel an Bildung.

Zunehmend in den Fokus der Bildungspolitik und sozialwissenschaftlicher Forschung rückt nun aber auch die sogenannte „Informationsarmut“:

Bei Informationsarmut handelt es sich um einen Zustand, in welchem Personen nicht über ausreichenden Zugang zu Wissen verfügen, um fundierte Entscheidungen zu treffen oder an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen.

In unserer modernen Informationsgesellschaft kaum vorstellbar. In Entwicklungs- und Schwellenländern jedoch nachwievor ein brisantes Thema. Fehlt der Zugang zu digitalen Informationsnetzwerken wie dem Internet, führt dies zu sozialer Ausgrenzung und Ungleichheit.

Bei diesem Thema geht es also nicht um Personen, die sich bewusst modernen Informations- und Kommunikationstechnologien verweigern oder deren Nutzung auf ein absolutes Minimum beschränken.

Vielmehr betrifft Informationsarmut vor allem Jüngere in den ärmeren Gesellschaftsschichten aller Staaten, die bereits früher kaum Zugang zu Bildung hatten und nun ohne ausreichende technische Infrastruktur noch stärker an den Rand gedrängt werden.

Besonders Kinder aus ärmeren und bildungsfernen Familien sind die Verlierer der globalen Digitalisierung. Wobei das auf den ersten Blick einem Widerspruch gleichkommt.

Ohne Computer läuft nichts

Einerseits trägt das weltweite Internet dazu bei, allen Menschen gleiche Chancen auf Bildung zu ermöglichen. Jeder ist theoretisch in der Lage, selbst in den entlegensten Teilen der Erde, auf unser globales Wissen zuzugreifen und dieses zu nutzen.

Andererseits fehlen aber immer noch vielen Menschen die technischen Möglichkeiten dazu. Dabei geht es gar nicht einmal so sehr um eine mangelnde Verfügbarkeit von Internet-Zugängen.

Vielmehr liegt das Problem im Nichtvorhandensein brauchbarer Endgeräte wie Notebooks, Tablets und Smartphones und dem Wissen um deren Handhabung.

„Ohne Computer wissen wir gar nichts!“ – an dieser Aussage ist etwas Wahres dran.

Sprach- und Inhaltsbarrieren

Hinzu kommt ein unerwartetes Problem – die englische Sprache. Basierend auf Schätzungen sind knapp 60 % aller Inhalte des Internets in englischer Sprache verfasst. Wer dieser zumindest nicht in Grundzügen mächtig ist, versteht schlicht nichts.

Als mögliche Lösung bieten sich technische Hilfsmittel wie automatisierte Übersetzungen samt Nutzung künstlicher Intelligenz an. Trotzdem bleibt für viele eine Schwelle.

Auch inhaltlich müsste noch eine Menge getan werden, um zielgruppenspezifischen sowie regionalen Anforderungen gerecht zu werden:

Ein Schüler auf Osttimor wird im Bereich Wirtschaft andere Lerninhalte erwarten als sein gleichaltriges Pendant aus einem europäischen Industriestaat. Und der Landwirt aus Deutschland auf der Suche nach neuen Erkenntnissen über Pflanzenschutz dürfte gänzlich andere Informationen benötigen als ein Kleinbauer aus Bangladesch zum selben Thema.

Für die einen existieren jeweils Informationen und Daten im Überfluss, während für andere brauchbare Erkenntnisse spärlich gesät sind.

Hier ist neben der Politik auch die Gesellschaft als solche sowie die Wirtschaft gefordert, gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten, die allen Internet-Nutzern gezielt notwendige Informationen bereitstellen.

Vor allem in ärmeren Ländern braucht es dazu internationale Anstrengungen, um mit Hilfe lokaler Organisationen Menschen jeden Alters den Zugang zu Bildung dauerhaft und niederschwellig zu ermöglichen.

Auch ein Problem moderner Gesellschaften

Wer nun aber meint, dass nur Schwellen- und Entwicklungsländer mit Informationsarmut zu kämpfen haben, täuscht sich. Selbst in unserer vermeintlichen Informationsgesellschaft spielt sie eine Rolle:

Auch hier sind die Betroffenen wieder in den bildungsfernen Gesellschaftsschichten angesiedelt. Wenn weder Eltern noch Schule den korrekten Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln vermitteln, bleibt es bei der unreflektierten Nutzung sozialer Medien.

Als Folge davon sind trotz Vorhandenseins von Daten (also eines Informationsüberflusses) viele Schüler nicht in der Lage, gezielt nach benötigtem Wissen zu suchen, Fake-News zu erkennen oder sich an strukturierten Problemlösungen zu versuchen.

Diese Art von Medienkompetenz fehlt vielen Menschen in Deutschland und in Europa. Sie stehen, bildhaft gesprochen, vor einem reich gedeckten Tisch, wissen aber nicht, wie man richtig isst.


Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: März 2024
Wichtig: Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen und rechtlichen Hinweise für diesen Beitrag!


Werbung