Gefährlicher Weg in die totale Überwachung

Kommentar...

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Die totale Überwachung ist Gift für eine demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft. Terrorismus kann so nicht aufgehalten werden, sie befriedigt nur Law-and-Order-Fanatiker. Stattdessen zerstören wir unsere Zukunft.
Die totale Überwachung ist Gift für eine demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft. Terrorismus kann so nicht aufgehalten werden, sie befriedigt nur Law-and-Order-Fanatiker. Stattdessen zerstören wir unsere Zukunft.

[Ein Kommentar von Tobias Eichner, tobias@14all-magazin.com]

Terroristen geht es vornehmlich nicht um schnelle Eroberungen, sondern um das langsame Infiltrieren einer Gesellschaft mit Angst und Hass. Diese anvisierte Selbstzersetzung stellt deren eigentliches Ziel dar – unabhängig ob ihre Motivation religiöser, politischer oder wirtschaftlicher Natur ist.

Wir laufen dabei Gefahr, unsere hart erkämpften Freiheiten und die vielfältigen Errungenschaften einer multikulturellen Gesellschaft zu verlieren. Und zwar durch unsere eigene Schuld.

Datenschutz & Grundrechte

Datenschutz und die Wahrung der Persönlichkeitsrechte – in der heutigen Zeit erscheinen beide Begriffe angesichts der auch in Deutschland immer weiter ausufernden Überwachungsmentalität mehr und mehr als reine Worthülsen.

Dabei ist Datenschutz innerhalb der EU ein garantiertes Grundrecht: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“ (Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 8 Absatz 1).

Situation in Deutschland

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht auf ein Gutachten aus dem Jahr 1971 zurück und wurde vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des sogenannten „Volkszählungsurteils“ 1983 als Grundrecht anerkannt (eine explizite Erwähnung im deutschen Grundgesetz fehlt jedoch).

Einschränkungen dieses Grundrechts bedürfen einer gesetzlichen Basis und sind nur bei Gefährdung des Gemeinwohls zulässig – bedauerlicherweise ist „Gemeinwohl“ ein stark auslegungsfähiger Begriff.

Mehr Überwachung ≠ mehr Sicherheit

  • Anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten und Inhalten der persönlichen Kommunikation (besser bekannt als „Vorratsdatenspeicherung“)
  • Anlasslose Erfassung und Aufzeichnung der Standortdaten mobiler Endgeräte (z.B. Smartphones)
  • Verstärkte Videoüberwachung des öffentlichen Raums, auch mittels Verfahren der automatisierten Gesichts- und Handlungserkennung, Scan von Fahrzeug-Kennzeichen
  • Erstellen zentraler biometrische Datenbanken aller Bürger
  • Verringerung der rechtlichen Hürden für den Zugriff gesammelter Daten durch Behörden und andere staatliche Stellen

… was nach George Orwells dystopischen Roman „1984“ klingt, ist heute technisch möglich und teilweise bereits Realität oder befindet sich in einer fortgeschrittenen politischen Diskussion.

Befürworter solcher Maßnahmen verkaufen diese (vorrangig in Wahlkampfzeiten) gerne als „Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit“ – ein gefährlicher Irrglaube:

Nachweislich wurde bislang kein Attentat und kein Anschlag durch verstärkte Überwachungsmaßnahmen verhindert. Vereitelte Taten waren stets der „guten alten Polizeiarbeit“ geschuldet.

Unzweifelhaft erlauben es die gesammelten Datenmengen aber, im Nachhinein ein klareres Bild über Motivation und Ablauf eines Verbrechens zu erhalten. Das ist gut, rechtfertigt aber nur in den seltensten Fällen die allgemeine Vorverurteilung Unschuldiger – und nichts anderes stellt das massenhafte staatlich verordnete Ausspionieren der eigenen Bürger dar:

In Zukunft erwartet uns wohl noch öfters diese Form der Beweislastumkehr – der Einzelne untersteht pauschal einem Generalverdacht und muss seine Unschuld belegen. Wer nicht gläsern sein will, macht sich automatisch verdächtig.

Interne Gefährder der Demokratie

Ein kleines Gedankenspiel:

Selbst wenn ein verstärktes Maß an Überwachung und Beschneidung der Persönlichkeitsrechte von einer Gesellschaft toleriert würde. Was geschähe wohl in einem derartigen Umfeld, sollten durch politische oder soziale Umstände bisherige Kontrollinstanzen wie Justiz und politische Opposition entfallen?

Wie schnell dies gehen kann zeigen die Beispiele der Länder USA und Türkei. Letztere schlittert gerade sehenden Auges in das Unglück einer Diktatur, mit möglicherweise destabilisierender Wirkung auf angrenzende Staaten.

Es käme einer Katastrophe gleich, würden Staaten oder Interessensgruppen derart mächtige Überwachungsinstrumente zur totalen Kontrolle missbrauchen. Der gläserne Bürger wäre noch stärker anfällig für Manipulationen, die Entwicklung einer politischen oder gesellschaftlichen Opposition nahezu undenkbar.

In welcher Gesellschaft möchten wir leben?

In einer Gesellschaft kann es die unbedingte Freiheit geben – aber nicht die unbedingte Sicherheit. Ein gewisser Verlust an Sicherheit ist der gerechtfertigte Preis, den wir für unsere Freiheit bezahlen müssen.

Es ist Aufgabe der Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft, dies durch eigenes umsichtiges Handeln vorzuleben und den Menschen mittels sachlicher Argumentation und unter Aufzeigen von Ursache und Wirkung begreiflich zu machen.

Allein die vage Angst vor einer gefühlten Bedrohung spielt radikalen Bauernfängern und politischen Hasardeuren in die Hände. Die Tatsache, dass sich diese damit unfreiwillig zum willfährigen Helfershelfer der Terroristen machen scheint sie nicht zu kümmern (oder kümmern zu wollen).

In unsicheren Zeiten wie diesen hilft weder Panikmache noch Polemik – sondern simple Logik. Und die Logik gebietet es uns, für unsere Freiheit zu kämpfen… einfach indem wir sie leben!


Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: März 2017 | Letzte Aktualisierung: März 2023
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